SoS
Soft Solidarity
Unter dem Begriff SoS – Soft Solidarity (2019/20) greift das Kuratorinnenteam Nataša Ilić und Solvej Helweg Ovesen auch in diesem Jahr in der Galerie Wedding aktuelle Positionen von in Berlin lebenden Künstler*innen auf und bringt sie mit anthropologischen, gesellschaftspolitischen, aber auch ganz alltäglichen Fragen in Verbindung.
Das Thema Soft Solidarity (SoS) verbindet die Vergangenheit des Berliner Stadtviertels Wedding mit der Gegenwart und schaut auf dessen Zeit als Arbeiterbezirk zurück, als es unter »Roter Wedding« bekannt war. »Links, Links, Links – der rote Wedding marschiert!«, so klangen die Parolen der 1930iger Jahre. Was den Wedding heute charakterisiert, ist die Gemengelage einer post-industriellen und post-migrantischen Bevölkerung und deren aktuellem Bedürfnis, die Gemeingüter dieses Stadtteils neu zu erfassen und zu definieren.
In der Auseinandersetzung mit Fragen, wie Solidarität heute und in der Geschichte wahrgenommen, erzeugt und praktiziert wurde und wird, greifen die Ausstellungen und Arbeiten, die auch im öffentlichen Raum stattfinden, in unser Leben ein. Zukunftsweisende Strategien, um unsere Energieressourcen besser zu nutzen und fairerer zu teilen, sowie Möglichkeiten mit allen Sinnen Gerüche, Geschmäcker, Klang und Berührung wahrzunehmen, werden in Betracht gezogen. SoS ist als Option konzipiert, in patriarchale und gewalttätige Beziehungen einzugreifen und sich dem intensiven Individualismus und den mentalen Blockeffekten der allgemeinen Beschleunigung von Lebensprozessen zu verbinden. Das Programm versteht Solidarität als politischen Konzept und gewünschten, möglichen Antrieb für soziale Organisation in den gegenwärtigen Bedingungen wachsender obskurantistischer politischer Populismen, Fake-News und Post-Privacy. Um der Berufspolitik die Idee von Solidarität zu entziehen und über Bereiche hinweg zu denken, in denen sie verwurzelt ist, interessiert sich SoS für Wirtschaft als Gemeinschaft, Post-Work und Präsenz als Zustand des Geistes, den Körper als ästhetische Spielfläche von Subkulturen und Modetrends und lose Allianzen, die den urbanen durchdringen.
Mit SoS versuchen wir, die Frage zu beantworten, was im Hinblick auf den solidarischen Habitus gerettet und wie er neu erfunden werden kann. Was könnte man aus dem Zusammenbruch des Sozialismus und der internationalen Solidarität, die um antikoloniale Kämpfe herum entstanden ist, retten? Was bleibt nach dem Abbau der europäischen Sozialdemokratien, ist alles andere als erledigt? Wie kann man langsam, gegen die zunehmende und letztlich sinnlose Beschleunigung von Intensitäten und Wachstumsidealen arbeiten? Wie entmaterialisieren und entschleunigen wir uns selbst? Wie kann man Solidarität in der gegenwärtigen Regimen der Macht denken, die durch »Datenverhalten« und »algorithmische Gouvernementalität« gekennzeichnet ist, in der Entscheidungen durch algorithmische Systeme des statistischen Profilsystems getroffen werden und die Möglichkeit politischer Subjektivität und Handlungsfähigkeit in Frage steht?
Mit freundlicher Unterstützung der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, Fonds für Ausstellungsvergütungen und des Ausstellungsfonds für Kommunale Galerien
Kuratorisches Statement/ Curatorial Statement (PDF): Kuratorisches Statement SoS_2019_20
Ausblick 2020: Das Programm SoS– Soft Solidarity in der Galerie Wedding umfasst, aufgrund der veränderten Entwicklung durch die Coronakrise, 2020 diesmal vier Einzelausstellungen der Künstlerinnen Konstanze Schmitt, Marina Naprushkina in Zusammenarbeit mit dem Moabit Mountain College, Ana Alenso und Julian Irlinger (kuratiert von Jan Tappe). In Kooperation mit dem Berliner Künstlerprogramm des DAAD wird im Sommer 2020 eine Gruppenausstellung mit Arbeiten von Burak Delier, Runo Lagomarsino und Ieva Epnere stattfinden (kuratiert von Melanie Roumiguière und Malte Roloff). Die geplante Ausstellung der Künstlerin Eli Cortinas wird vorraussichtlich auf 2021 verlegt werden. Außerdem wird im Herbst 2020 ein dreitägiges Assembly, eine soziale und diskursive Verortung von SoS (Soft Solidarity) stattfinden. Eine Reihe von performativen Interventionen werden durch diskursive und performative Momente erweitert. SoS untersucht die tiefen Krisen der Solidarität und setzt sich mit der Notwendigkeit, auf die Bedürfnisse der Menschen zu reagieren, auseinander.
Biografien/ Biographies (PDF): Nataša Ilić Solvej_Helweg_Ovesen